Holpriger Kurztrip durch Nordvietnam
- Andre Schumacher
- 5. Dez. 2022
- 8 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 23. Sept. 2023

Vietnam Tour vom 22.08. bis 06.09.2022
Überglücklich und dennoch etwas bedrückt durch die letzten Tage in Nepal war ich nun endlich in Hanoi. Aber wie die chaotische Anreise sollte auch meine Zeit in Vietnam holprig werden. Sichtlich mitgenommen von den letzten beiden Tagen in Nepal, zwei Flügen und einem unerträglichen 10-Stündigen Aufenthalt auf dem Flughafen von Kolkata in Indien kam bereits die nächste Hürde auf mich zu. Ich buchte meinen Flug von Nepal nach Vietnam sieben Tage vor dem geplanten Länderwechsel und beantrage im gleichen Atemzug ein 30-Tage-Visum für Vietnam. Laut dem Online-Portal der vietnamesischen Regierung sollte der Antrag in drei Arbeitstagen genehmigt werden – sollte. Kaum in Hanoi gelandet, machte ich mein Handy an und koppelte es mit dem WLAN. Mit gedrückten Daumen öffnete ich das Visumportal von Vietnam und hoffte, dass mein Visumantrag nach neun Tagen endlich auf grün und somit auf genehmigt gesprungen ist. Mist! Es war immer noch nicht freigegeben, also hieß es auf Plan B zurückgreifen und ein „Visa-free“ für 15 Tage in den Reisepass stempeln lassen. Zum Glück darf jeder Deutsche ohne Visum für 15 Tage nach Vietnam einreisen, sodass diese Regelung in diesem Fall eine weitere totale Katastrophe verhinderte.
„Morgenstund hat Gold im Mund“
Trotz der kleinen Panne mit dem Visum war ich sehr glücklich, nun endlich in Vietnam zu sein. Mein Flugzeug landete gegen vier Uhr in der Früh und nach zwei Flügen mit einem langen Zwischenstopp wollte ich nur noch in die Stadt, um eine vietnamesische Nudelsuppe zu genießen und einen Kaffee zu trinken. In meinen Vorbereitungen auf das Land habe ich sehr viel von den berühmten Suppen und dem Kaffee gelesen und entsprechend war ich sehr vorfreudig.
Meine Ankunft im Stadtzentrum von Hanoi war hingegen eine echte Überraschung und sorgte für ein großes Lächeln in meinem Gesicht. Direkt in der Stadt liegt ein traumhafter See mit dem Namen Ho Tay und mein Hostel befand sich in der Nähe dieses ziemlich großen Sees. Nachdem der Busfahrer mich eine gute halbe Stunde vom Hostel entfernt am See rausgeworfen hatte, wanderte ich auf dem breiten Fahrrad- und Fußgängerwegen am Wasser entlang und staunte nicht schlecht, was morgens um sechs Uhr in Hanoi los war. Ich war tatsächlich sehr überrascht, natürlich positiv, denn überall waren die Einheimischen verteilt und machten Frühsport. Unzählige Jogger und Radfahrer kamen mir entgegen und ganz besonders auffällig waren die kleinen Gruppen, die gemeinsam Gymnastik und Tänze machten. Ich war sofort wieder hellwach und freute mich sehr über das Feuer, was die Einheimischen ausstrahlen. Zudem musste ich mich auch sehr konzentrieren, da die ein oder andere Übung - vor allem von den älteren Sportlern - doch sehr amüsant aussah.
Vor meinem Hostel gab es einen wunderbaren Street-Food Suppenladen und ich genoss meine erste Pho Ga Suppe, eine traditionelle Suppe mit Hühnchen, Gemüse, Nudeln und vielen tollen Gewürzen, die in der Regel zum Frühstück gegessen wird. Im Anschluss ging es ins Hostel in der Hoffnung, mein Bett ist trotz der frühen Stunde schon frei. Der Besitzer des in einem Hinterhof liegenden Hauses sprach eher durchwachsen Englisch, was aber heutzutage kein Problem darstellt, da es ja Übersetzungsapps auf dem Handy gibt. Er teilte mir mit, dass das Hostel komplett ausgebucht sei und er eigentlich kein Bett mehr frei habe – auch in den nächsten Tagen nicht. Ich hatte das Gefühl, Vietnam wollte mich nicht haben, behielt aber die Nerven und nach einer kurzen Plauderei bekam ich mit einem kleinen Aufpreis ein tolles Einzelzimmer, was mit einmal doch frei war.
Nach einem Tag im Bett und einer guten schlafreichen Nacht war ich bereit, die neue Stadt zu erkunden. Ich machte mich also auf den Weg und starte den Tag mit einem Banh Mi - einem französischen Baguette belegt mit Fleisch nach Wahl und frischen Gemüse. Das Banh Mi gibt es in Vietnam in vielen verschiedenen Ausführungen, es ist aber immer ein echter Genuss. Bereits am ersten Tag bekam ich einen unglaublich schönen Eindruck von Hanoi, dass baulich sehr geprägt von der französischen Kolonialzeit war. An meinem ersten Travel-Tag in der Stadt lief ich wie so oft zuvor recht planlos drauf los und hatte keinen wirklichen Plan. So entdeckte ich das große und prachtvolle Ho Chi Minh Mausoleum und wanderte einmal quer durchs Regierungsviertel und bestaunte die internationalen Botschaften.
Der Tag verging wie im Flug und auch die Folgetage waren viel zu schnell vorbei, sicherlich weil die Stadt einfach unglaublich vielseitig und phantastisch war. Ich schaute mir die berühmte Hanoi Train Street an, besichtigte viele kleine Tempelanlagen und entdeckte jeden Tag aufs neue tolle Ecken. Am Wochenende gab es in einem nahliegenden Viertel ein Weekend-Market, dafür wurden zahlreiche Straßen gesperrt und Verkaufsstände aufgebaut. Ich genoss, gemeinsam mit einer kleinen Gruppe aus dem Hostel, das wilde Treiben und erfreute mich an Straßenmusik und Street-Food. Generell verliebte ich mich sehr schnell in die vietnamesische Küche mit ihrer abwechslungsreichen Speisekarte. Der See wurde zu einem wichtigen Ort für mich, ich spazierte viel und konnte dort Luft holen - außerdem gab es jeden Abend einen unvergesslichen Sonnenuntergang.
Nachdem ich meinen Aufenthalt von drei auf sieben Nächte verlängerte, war es aber an der Zeit, Hanoi vorerst auf Wiedersehen zu sagen. Bevor es aber in Richtung Küste gehen sollte, startete ich noch einen Anlauf beim Immigrantenoffice und hoffte, dass ich vor Ort ein neues 30-Tage-Visum beantragen und erhalten könne. In der viel zu vollen und chaotischen Behörde hielt ich es aber kaum 10 Minuten aus. Am sogenannten „Help-Desk“, also Hilfeschalter für ausländische Touristen, war eine Junge Dame, die kein Wort Englisch sprach und außerdem hatte ich das Gefühl, dass es ohne einen Termin an diesem Tag keine Lösung geben wird. Ich ging im Anschluss zur deutschen Botschaft und erhielt einen kurzfristigen Termin und einige Informationen, wie ich mein Visum am besten verlängern kann. Aber schon in der Botschaft sagte man mir – alles ohne Gewähr – da durch die Corona-Zeit alles noch recht durcheinander und unübersichtlich sei.
Generell war zu diesem Zeitpunkt mein Wunsch, die klassische Vietnamtour von einer zur anderen Seite - als von Hanoi nach Ho Chi Minh City - zu machen, bereits geplatzt. Abgesehen vom fehlenden 30-Tage-Visum, um die Zeit dafür zu haben, schaffe es auch mein Indien-Reisebegleiter Joni nicht so zeitig wie gedacht nach Vietnam. So platzte die gemeinsam geplante Motorradtour über den berühmten Ha Giang Loop und auch die Tour in die sagenumwoge Stadt Ninh Binh strich ich von meiner Liste. Zwei Ziele, die nach wie vor ganz oben auf meiner „bucket list“ stehen und ein Grund sind, noch einmal Nordvietnam zu bereisen.
Sonnenbrand und traumhafte Strände in der Ha-Long-Bay
Mit dem Bus ging es also nach acht unglaublichen Tagen in Hanoi in Richtung Ha Long, dass gut fünf Stunden entfernt war. Ich plante ein Nacht in den dem touristischen Küstenort und wollte am nächsten Tag mit der Fähre weiter auf die Insel Cat Ba. Den Tag in Ha Long nutze ich für einen phantastischen ausgiebigen Strandspaziergang und am Abend gönnte ich mir eine tolle Strandparty, auf der es neben lauter Musik und netten Menschen auch das ein oder andere Kaltgetränk gab.
Mit einem schweren Kopf schleppte ich mich am nächsten Morgen zur Fähre, die ich noch gerade so erwischte und konnte meinen Augen glauben. Die Fähre fuhr in ein riesig wirkendes Feld aus hohen Kalksandsteininseln, die aus dem Wasser ragten und mit vielen Pflanzen bewachsen waren - alleine dieser Anblick machte mich sprachlos. Nach der zwei Stunden Überfahrt schnappte ich mir am Anleger ein Motorrad-Taxi und genoss die ca. 45 Minuten Tour quer über die Insel. Nach meiner Ankunft in dem kleinen Ort überlegte ich nicht lange, schnappte mir meine Badesachen und machte mich auf den Weg in eine kleine Bucht. Das smaragdgrüne Wasser, ein kleiner aber perfekter Strand und ein phantastischer Ausblick erwarteten mich und ich entspannte stundenlang an diesem traumhaften Ort.
In meinem Hostel lernte ich dann Mia und Natascha kennen, zwei deutsche Mädels, die gemeinsam das Land erkundeten. An diesem Abend kam es wieder zu dem wohl bekanntesten Phänomen unter Reisenden. Ich hatte vor meiner Reise oft darüber gelesen, dass man sich auf einer Reise offener ist und einfach frei drauf los quatscht – so auch an diesem Abend. Bewaffnet mit ausreichend alkoholischen Kaltgetränken suchten wir uns am Wasser ein ruhiges Plätzchen und redeten ohne Punkt und Komma. Ich finde es immer noch absolut erstaunlich, wie befreiend und ehrlich man sich mit Menschen unterhalten kann, die man doch eigentlich gar nicht wirklich kennt. Es ist ein Phänomen, was bis heute immer wieder passiert und jedes Mal eine magische Erfahrung bringt. Der Abend endete dann tatsächlich doch sehr feucht-fröhlich in einem Club im Ort und entsprechend angeschlagen war ich am Tag.
Am Folgetage schleppte ich mich noch ein wenig über die Insel und erkundete einige kleine Buchten. Im Nachgang ärgerte es mich doch sehr, dass ich keine Tour mit einem Kanu oder eine Bootstour durch die fantastischen Kalksandsteininseln gemacht habe - aber auch ohne die Touren waren die Tage auf Cat Ba absolut verrückt und trotz Sonnencreme hatte ich mächtig Farbe am Körper bekommen.
Hoppla – dein Visum läuft ab.
Etwas neben der Spur vom nächtlichen „Getobe“ kam mir in den Sinn, dass mein Visum tatsächlich nur noch drei Tage gültig war und so entschied ich, am nächsten Tag und viel zu überstürzt Cat Ba in Richtung chinesischer Grenze zu verlassen. Ich reiste also mit der Fähre und einem Bus gut sechs Stunden nach Mong Chai, in der Hoffnung, einen „border run retour“ machen zu können – also einen Ausgangsstempel im Reisepass bekommen und sofort einen Eingangsstempel mit dem neuen Visum hinter. Die Deutsche Botschaft in Hanoi und einige ziemlich schwache Quellen im Internet gaben mir diesen Tipp, aber ohne Gewähr. So entschied ich mit für eine Grenze, die ohne großen Aufwand gut zu erreichen war und einen interessanten Ort hatte.
Heute, über zwei Monate später, ärgert mich diese Entscheidung noch sehr. Mein großer Traum ist eine Reise durch China und ich wusste zu diesem Zeitpunkt bereits, das China erst 2023 die Grenzen für den Tourismus wieder öffnen wird. Mit ein wenig mehr Konzentration hätte ich also vermeiden können, am Folgetage vor einer verschlossenen Grenze zu stehen.
Alles diskutieren und betteln half nicht – die Behörden waren sehr bemüht und telefonieren stundenlang – am Ende blieben die Tore aber verschlossen und mein Reisepass ohne einen neuen Stempel. Ich mache mich somit auf den Rückweg und hatte Glück, den letzten Bus in Richtung Hanoi zu erwischen. Ja – es ärgert mich, sehr sogar, da ich die Zeit und das Geld dieser Tour besser in zwei weitere Tage Ha-Long-Bay hätte investieren sollen.
Aber Jammern hilft nicht und im Nachhinein ist man immer schlauer. Nach einer absolut schlechten Nacht erreichte ich Hanoi um vier Uhr morgens und entschied mich, einen letzten Anlauf im Immigrantenoffice zu starten. Ich baute quasi meinen Schlafplatz direkt vor der Behörde auf und wartete geduldig auf die Öffnung um 8 Uhr. Tatsächlich haben dann aber 30 Sekunden gereicht, damit die Dame am Schalter 6 mir mitteilten konnte, dass ich das Land heute verlassen müsse. Nicht wirklich überrascht und eh viel zu müde vom Stress der letzten Tage, akzeptierte ich mein Schicksal. Ich ging frühstücken und ließ mich im Anschluss von einem Motorrad-Taxi zum Flughafen bringen. Ich entschied mich damals wohl richtig, denn der Flug von Hanoi nach Bangkok sollte der Grundstein für einen absolut unvergesslichen Monat in Thailand werden.

Mein Fazit:
Vietnam ist ein absolut geniales Land und sollte auf gar keinen Fall ausgelassen werden. Ich gebe ehrlich zu, dass meine erste Reise nach Vietnam doch etwas chaotisch war und ich die Zeit nur phasenweise genießen konnte. Dennoch habe ich einen tollen Eindruck vom Zauber des Landes erhalten. Hanoi gehört bis heute zu meinen Lieblingsorten - die Stadt hat durch ihre abwechslungsreiche Architektur, ihre Offenheit und die Einheimischen eine besondere Magie. Ich rate alle Reisenden, sich intensiver als ich auf Vietnam vorzubereiten. Es ist ein sehr bürokratisches Land im Vergleich zu den restlichen Südostasien-Staaten. Für mich stand bereits bei der Abreise fest, dass ich schnell wieder kommen werde.
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